Die Kraft der Frau - Interview Regena-Zeitschrift, Tschechien

mit Viramano Wermund

Frage: Wie kommt es, dass Du Frauenarbeit machst?

Viramano: Die Frau konnte sich durch die in den letzten Jahrhunderten eingerichtete Verurteilung von Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Sexualität nie in ihrer Kraft entfalten. Sie hat ihre ursprünglichen natürlichen Fähigkeiten vergessen und den Kontakt zu Weiblichkeit verloren. Sie ist heute gefangen in ihrer Identität in bezug auf den Mann, auf Muttersein, ihre Karriere als Berufsfrau oder überlastet in Doppelrollen. Gerade für die Frau aber ist das Becken, der Bauch, die Brüste, ihre sexuelle Lust und Hingabe von besonderer Bedeutung . Außerdem braucht sie immer wieder Zeit, Achtsamkeit und Muße, um - wie es der Natur der weiblichen Empfangens entspricht - versehentlich aufgenommene, ungute Energien wieder abzugeben sowie ihre Liebe und Kraft neu zu nähren.

 

Weibliche Sexualität ist allumfassend und lässt sich nicht auf erotisch-sexuelle Momente reduzieren - Schwangerschaft, Menstruation, Empfangen und Weitergeben, magische Heilkräfte und Spiritualität sind genauso Teile davon. Mit der Unterdrückung der Weiblichkeit, der Verbrennung der Hexen zum Beispiel, wurden ebenfalls die magischen Heilkräfte der Frauen verbrannt. Sogar noch im 19. Jh. wurde alles unternommen, damit die weibliche Sinnlichkeit und Lust ausgeschlossen bleibt. Die Frau durfte sich z.B. nur so bewegen, dass die männlichen Sexualphantasien nicht erregt werden. Bis Ende 19.Jh. war die Frau ihrem Mann untertan: Seine Interessen und Ziele mussten gestützt werden. Sie ist für ihn und sein Temperament verantwortlich und muss sich selber total zurücknehmen.

Fremdbestimmung und Unwissenheit prägten ihre Beziehung zum Körper. Es gab keine Aufklärung. Man wusste nichts über die monatliche Regelblutung und verstand sie eher als schlimme Krankheit, oder Strafe Gottes für Onanieren, ganz zu schweigen von den weit verbreiteten Ritualen der Beschneidung der weiblichen Genitalien. Sex war verbunden mit Schuldgefühlen, Angst vor Krankheiten, Schwangerschaft und Schmerzen. Gegen Geburtsschmerzen durften keine Mittel genommen werden, denn die Frau sollte ihr Kind von Gott gewollt unter Schmerzen gebären.

Erst ca. um 1900 begannen sich heimlich einige Frauen zusammenzufinden und experimentierten mit ihrem Körper, mit Atem- und Leibesübungen. Sie entdeckten zum Beispiel, dass Körper und Geist zusammengehören, dass Atem nicht nur lebensnotwendig ist, sondern dem tiefen Rhythmus von Leben und Tod entspricht, dass ihre Weisheit im Inneren ihrer Körper liegt. Dies war unter anderem der Anfang der heutigen Körpertherapie.

 

Frage: Heute hat sich dank der Medizin und Aufklärung vieles geändert. Warum brauchen die Frauen Selbsterfahrungsgruppen?

Viramano: Heute hat sich die Situation äußerlich sicher sehr verändert. Die Frau hat sich emanzipiert und ihren Körper samt Bestimmung über Schwangerschaft oder nicht, wieder in Besitz genommen. Allerdings richtet sie sich nach wie vor sehr nach männlichen Werten und Maßstäben. Diese sind auf den ersten Blick einfach attraktiv und schnell, kurzweilig und spannend, logisch und Erfolg versprechend. Der männliche Weg scheint ihr einfacher als sich um die weiblichen Verletzungen zu kümmern, sich genügend Zeit und Stille zu kreieren.

Dadurch bleibt sie aber oberflächlich, analytisch, im Wettlauf mit männlichen Richtlinien und durch den Verstand kontrolliert.

 

Frage: Warum leitest du Frauengruppen und warum dauert der Prozess „Die Kraft der Frau“ zwei Jahre?

Viramano: Frauengruppen leite ich schon über 10 Jahre. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass die Frauen eigentlich langsam sind und wirklich Zeit brauchen, um sich tiefer einzulassen. Auch kann das Vertrauen, sich in der Tiefe zu öffnen nicht in ein paar Tagen eingerichtet werden. In matriarchalen Kulturen gab es früher die sogenannten Frauenhäuser, wo sich die Frauen regelmäßig jeden Monat zurückziehen konnten. Die weibliche Natur ist so verletzlich, dass sie einfach immer wieder Zeit braucht, um sich zu finden und im wahrsten Sinne „ über die verschiedenen Thematiken zu brüten“. Deshalb habe ich mich für diesen langen zweijährigen Heilprozess entschlossen, in welchem die gleichen Frauen sich immer wieder und immer tiefer begegnen können. Außerdem rege ich die Teilnehmerinnen an, unter sich zusätzlich zwischen den Seminarteilen zu zweit Kontakte und Gespräche zu pflegen.

 

Frage: Was passiert in deinen Seminaren?

Viramano: In meinen Gruppen möchte ich die Frauen unterstützen, die Beziehung zum Körper und seinen Gefühlen wieder herzustellen. Wir machen Kontakt mit weiblicher Weisheit und eigenen Kraftquellen. Wir wollen unsere Liebe, Lust und Lebensfreude sowie unsere Würde und das Potential für spirituelles Wachstum zurückgewinnen. Da es heute ja keine oder nur wenige Vorbilder gibt, muss vieles neu erarbeitet werden. Dazu müssen die Frauen unter Frauen sein, unter sich Misstrauen ab- und Vertrauen aufbauen, und die schwierige Reise nach innen antreten. Dort sind ihre Verletzungen und Gefühle tief im Unbewussten vergraben, genau wie von Natur aus alles Weibliche im Inneren und Dunklen verborgen ist.

Es gibt zwar heute einige starke und rebellische Frauen auch aus der Zeit des Feminismus, die zwar laut, aber keineswegs in ihrer Weiblichkeit verwurzelt sind, sondern eher mit männlichen Mitteln operieren. Sie arbeiten mit vorfabrizierten Theorien und Methoden, die keineswegs dem weiblichen Weg entsprechen. Auf dem weiblichen Weg zu sein bedeutet, die eigene Wahrheit zu finden und zu leben, ,, eigenwillig seinen Weg zu gehen“, sich von der inneren Stimme leiten zu lassen und den Bauchgefühlen zu vertrauen.

Gerade heute, in der Zeit wo vieles zerfällt, hat vor allem die Frau zusätzlich die Aufgabe, Neues in sich reifen zu lassen und dies unserer männlich geprägten Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

 

Frage: Wie arbeitest du und was passiert konkret in deinen Seminaren?

Viramano: Der wichtigste Leitsatz heißt Meditieren statt Therapieren. Der unbewusste Mensch lehnt sich immer an die von der Gesellschaft eingerichteten Normen und Regeln an. Nur der Meditierer kann Eigenständigkeit erreichen und sich von alten Identifikationen und Abhängigkeiten lösen. Nur durch Meditation entsteht Demut und Hingabe, ein tieferes Verstehen des Mysteriums von Mann und Frau.

Die Frau muss vor allem geschult werden, wie ihre eigene Sexualität im Gegensatz zur männlichen Sexualität funktioniert. Sie muss sich im wahrsten Sinne endlich selbst um ihren Körper kümmern. Sie muss lernen, ihre vielen Gefühle von Emotionen zu unterscheiden, dafür Verantwortung zu übernehmen und durch ihre oft hysterischen Überreaktionen sich selbst und andere nicht immer wieder neu zu belasten. Sie muss alte Traumas heilen und loslassen. Sie kann mit ihrem natürlichen Zugang zu Gefühlen tiefer gehen und sie dort heilen, wo sie entstanden sind. Dadurch heilt sie nicht nur sich selbst, sondern öffnet ihren Zugang zu Spiritualität, weiblicher Weisheit und Heilkraft jenseits von Gedanken und Worten. Aber dazu braucht sie vor allem Zeit und einen Raum von Geborgenheit und Vertrauen, denn Gefühle sind nie so schnell wie Gedanken.

 

Während wir im ersten Teil des Prozesses „Die Kraft der Frau“ vor allem alten Verletzungen und Missverständnissen begegnen, ist der zweite Teil der neuen Vision von Frausein gewidmet: Eine Frau, die geankert ist in ihrer eigenen Wahrheit, die ja sagen kann zu ihren schönen und hässlichen Seiten - eine Frau, die ihr Potential für weibliche Sexualität und spirituelles Wachstum wieder in Besitz nehmen kann und erkennt, dass sie mehr zu geben hat als in dieser männlich orientierten Gesellschaft bekannt ist.

 

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